Auswahlverfahren sollen einen Bewerber möglichst zuverlässig und umfassend einschätzen. Doch manchmal scheinen Personaler dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, denn jeden Tag sprießen neue Auswahlverfahren aus dem HR-Boden. Die Flut an immer neuen, verfügbaren Verfahren scheint dabei eher hinderlich als hilfreich.
Oft fehlen klare Indikatoren dafür, welche Verfahren ausgewählt werden sollen und wie diese kombiniert werden sollen. Dabei kann mit einer fundierten Auswahl und cleveren Kombination von Verfahren der gesamte Recruitingprozess optimiert werden – ganz ohne Mehraufwand für Personaler oder Bewerber.
Auf die Bewerberkompetenzen kommt es an!
Bei der Kombination von Auswahlverfahren gibt es nicht die eine Musterlösung. Wichtig ist jedoch, dass bei der Zusammenstellung darauf geachtet wird, dass Verfahren genutzt werden, die zusätzliche Informationen über den Bewerber liefern. Jedes Verfahren sollte einen Mehrwert im Prozess besitzen. Dafür muss natürlich zunächst einmal Klarheit über das Anforderungs- und Kompetenzprofil der Stelle herrschen.
Nehmen wir uns ein praktisches Beispiel: Das Profil eines Geschäftsführers zeichnet sich neben Kompetenzen wie Führungsfähigkeit oder Analysevermögen auch aus der Kompetenz Entscheidungsfähigkeit ab. Diese Kompetenzen wiederum unterteilen sich in mehrere Facetten. In puncto Entscheidungsfähigkeit sollte der Geschäftsführer z.B. in der Lage sein, relevante Informationen angemessen zu bewerten und zu gewichten. Auch sollte er Verantwortung für die getroffene Entscheidungen übernehmen und diese jeweils rechtzeitig treffen.
Ein Überblick: Was nützt die Kombination von Auswahlverfahren?
Denken wir dieses Beispiel weiter: Möchte ich die Entscheidungsfähigkeit von Herr Schulze überprüfen, reicht es für eine zuverlässige Einschätzung nicht aus, ihn Selbsteinschätzungen auf einem Fragebogen treffen zu lassen. Denn dabei bleiben, je nach Konstruktion des Fragebogens, zum einen wichtige Facetten der Entscheidungsfähigkeit unbeachtet. Zum anderen weist jede Methode spezifische Fehler und Tendenzen, so genannte „Methodeneffekte“ auf, die die zuverlässige Einschätzung einer Kompetenz gefährden. Bei einem Fragebogen wäre ein solcher Methodeneffekt zum Beispiel, dass der Herr Schulze sich zu positiv einschätzen könnte.
Im Beispiel der Entscheidungsfähigkeit wäre also ein weiteres Verfahren günstig, das Herr Schulzes Entscheidungsfähigkeit in konkreten Situationen testet. Hier bieten sich z.B. „Simulationsorientierte Verfahren“ an. In diesen wird Herr Schulze mit Situationen konfrontiert, die bestimmte Anforderungen an sein Verhalten stellen, vergleichbar mit Situationen in seinem zukünftigen Berufsalltag. Beobachtet wird dann, wie Herr Schulze sich verhält (z.B. wie entscheidungsfähig er auftritt) und welche Rückschlüsse daraus auf sein Verhalten im zukünftigen Berufsalltag gezogen werden können.
Durch ein solches multimethodales Assessment wird die Bewertung des Kandidaten objektiver, die Einschätzungen werden unabhängiger von einzelnen Methoden und einzelnen Anwendern. Es entsteht ein vollständiges und aussagekräftiges Bild der Bewerbereigenschaften und damit eine zuverlässige Bewerbereinschätzung. Die beste Voraussetzung für eine sichere Einstellungsentscheidung.
Auf welche Verfahren kann im multimethodalen Assessment zurückgegriffen werden?
Dem Personaler steht nun grundsätzlich eine ganze Palette von Verfahren zur Verfügung: (berufsbezogene) Leistungstests, Fragebögen, Interviews, Biographische Verfahren, Simulative Verfahren uvm. Ein Beispiel für die Umsetzung des multimethodalen Prinzips sind Assessment Center. Diese sind jedoch oft zeit- und kostspielig und nicht unbedingt für jede Zielposition geeignet. Mit den Möglichkeiten des World Wide Web lässt sich multimethodales Assessment heute effizienter realisieren als je zuvor. Ohne großen Mehraufwand für beide Seiten können Bewerber eine Reihe von Verfahren durchlaufen, die ein aussagekräftiges Kompetenz-Bild entstehen lassen.
Das World Wide Web kann dabei allerdings immer nur den Rahmen liefern. Denn für die Auswahl und Kombination der Verfahren sind immer noch die Personaler zuständig.