Vorige Woche haben wir drei erste Schritte vorgestellt, wie Sie den Cultural Fit Ihrer Bewerber erfassen können, angefangen vom firmeneigenen Kulturkonzept über die Negativ- bis zur Positivselektion.
Wir wollen Ihnen heute konkret anhand der Methode der zeitversetzten Videointerviews zeigen, mit welchen Fragen Sie die kulturelle Passung Ihrer Bewerber einschätzen können und liefern Ihnen dazu zwei Beispiele. Wie Sie ja bereits wissen, sind zeitversetzte Videointerviews eine sinnvolle Methode zur Vorauswahl von Kandidaten und kommen deswegen bei der so genannten “Negativselektion” zum Einsatz. Mit welchen Fragen können wir also einschätzen, welcher Bewerber nicht zur Unternehmenskultur passt?
Cultural Fit in der Vorauswahl = Videointerview, Situational Judgement Tests oder Online Fragebögen
Prinzipiell gibt es in der Vorauswahl verschiedene Herangehensweisen, um den Cultural Fit zu erfassen. So können z.B. Fragen für einen Online Persönlichkeitstest spezifisch auf die Zielvorstellungen der Organisation abgestimmt sein.
Oder es können Situational Judgement Tests (SJT) als Online Version angeboten werden, in denen Kandidaten eine spezifische (dann natürlich für die Organisation und ihre Core Values charakteristische) Situation skizziert wird und Kandidaten aus mehreren Alternativen auswählen müssen, wie sie sich verhalten würden. Situational Judgement Tests sind allerdings in der neuesten Forschung stärker in die Kritik gerutscht, da einige Ergebnisse “Verfälschbarkeit” im Sinne einer erwünschten Antwort suggerieren (dazu demnächst sicher bald mehr ;-)).
Konzentrieren wir uns also auf die strukturierten Fragen im zeitversetzten Videointerview. Das zeitversetzte Videointerview an sich impliziert, dass
a) allen Bewerber die gleichen Fragen gestellt werden (also alle die gleichen Chancen haben, unabhängig von Faktoren wie Sympathie etc.)
und b) alle Bewerber auf Grundlage eines objektiven, vorab festgelegten Standards bewertet werden.
Welche Fragen im zeitversetzten Videoformat?
Nun, das kommt natürlich vor allem auch darauf an, “was” die jeweilige Kultur ausmacht. Nehmen wir als Beispiel mal das Element “Flexibilität”. Was für den SJT gilt, gilt auch im Videointerview: Es empfiehlt sich ohne Weiteres, eine Situation zu skizzieren, die im Unternehmensalltag oft zu finden ist. An dieser Stelle wird deutlich, welcher Bewerber wie reagieren würde…
Dabei sind zwei Komponenten wichtig:
a) Die Situation sollte klar beschrieben und das “kritische Element” für jeden Bewerber ersichtlich sein. Der Interpretationsspielraum hinsichtlich der gegebenen Situation sollte möglichst gering sein.
b) Dem Bewerber sollte signalisiert werden, dass es nicht nur “ein richtiges Verhalten” gibt. Vielmehr sollte (und das kann im zeitversetzten Videointerview zusätzlich vermerkt werden) klar werden, dass es mehrere Verhaltensweisen gibt, die in der Situation ok sind.
Beispiel “Flexibilität”
“Bei uns und der Arbeit in unserem Unternehmen … werden Sie öfter mal kurzfristig neue Aufgaben bekommen und schnell “umdisponieren” müssen. (1) Wie sind Sie in der Vergangenheit mit solchen Situationen umgegangen? Berichten Sie bitte anhand von einem konkreten Beispiel. (2) Was war das Ergebnis der Situation? (3) Wie haben Sie sich dabei gefühlt?”
In diesem Beispiel ist vor allem die Frage “Wie haben Sie sich dabei gefühlt?” der ausschlaggebende Punkt. Dort gibt es kein Richtig oder Falsch, aber es sollte in den Antworten der Bewerber schnell deutlich werden, ob der Bewerber sich auch wirklich wohl dabei fühlt, neue Situationen als Herausforderung sieht und schnell wechselnde, flexible Arbeitsumgebungen und -aufgaben positiv besetzten und umsetzen kann.
Wichtig bei diesen Fragen ist, dass Sie eine genaue Vorstellung von einer “guten Antwort” haben, ansonsten können Sie die das Bewerberstatement ja schlecht evaluieren. Dies gilt natürlich nicht nur fürs Videointerview, sondern auch im persönlichen Gespräch.
Wenn Sie aber diese “gute Antwort” kennen, hat das zeitversetzte Videointerview den sehr deutlichen Vorteil, dass allen Bewerber die gleiche Frage gestellt wird. Auf dieser Grundlage haben Sie mit dem vorab definiertem Bewertungsmaßstab einen objektive Messlatte für die Bewertung des Cultural Fit Ihrer Bewerber.
Die wirklich feine Unterscheidung zwischen “Bewerber B bringt mehr von dem mit, was unsere Kultur ausmacht”, kann und muss dann im persönlichen Gespräch erfolgen – aber auch da sollte vorab klar sein, was erwartet wird. So werden Fehler durch subjektive Präferenzen minimiert.
Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie man (möglichst früh) in der Personalauswahl erfolgreich die kulturelle Passung eines Bewerbers erkennt, dann lesen Sie gerne auch unsere weiteren Beiträge zum Cultural Fit im Recruiting. Und wenn Sie mehr über das Potenzial von zeitversetzten Videointerviews in Ihren Auswahlprozessen erfahren wollen, dann buchen Sie sich direkt ein kurzes Beratungsgespräch mit unseren Experten.